Hallo, nachstehend Bericht aus dem "Mannheimer Morgen" vom 14. Mai 2004 über die Railion-Lok.
Viele Grüße
Vauban
Experiment auf 3000 Schienenkilometern
DB-Tochter Railion fährt in 80 Stunden einen Güterzug von Istanbul nach Mannheim
Von unserem Redaktionsmitglied Dirk Pohlmann
Mannheim. Gestern, kurz nach 11 Uhr vormittags, Mannheim-Seckenheim: Der Zug, der sich langsam in den kleinen Bahnhof schiebt, ist gleich in mehreren Punkten außergewöhnlich. Das beginnt mit den beiden silber-gelben Loks, und auch die Mischung aus Personen- und Güterwaggons läßt Ungewöhnliches ahnen. Das Wichtigste ist jedoch die Reiseroute: Der „Asien-Europa-Expreß“ hat gerade 3000 Kilometer von Istanbul über Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Österreich hinter sich.
„Diese Fahrt durch sechs Länder, ohne die Lok zu wechseln, ist an sich eine Revolution“, erklärte Klaus Kremper nach der An-kunft im noblen Konferenzabteil. Der Vor-standschef der DB-Güterschienenverkehrs-tochter Railion war extra nach Mannheim gekommen, um der Ankunft zuzuschauen. Schließlich handelte es sich um ein gelungenes Experiment: Die Bahn wollte bewei-sen, daß eine solche Fahrt nicht nur möglich, sondern auch schneller ist als der herkömmliche Gütertransport auf der Straße. Zudem spielt Mannheim im grenzüberscheitenden Güterzugverkehr eine außerge-wöhnliche Rolle: „Hier treffen sich mehrere europäische Achsen, etwa nach Frankreich und Italien“, erklärte Kremper. „Diese innereuropäischen Verkehre werden in Zukunft zunehmen, und Mannheim ist dafür ein absoluter Schlüsselstandort.“
Das Zugteam war sich der Bedeutung der Fahrt offensichtlich bewußt: Statt der ge-planten 100 Stunden vom Bosporus nach Nordbaden war der „Asien-Europa-Expreß“ nur rund 80 Stunden auf der Schiene. Lkw brauchen für die gleiche Strecke minde-stens vier Tage. Dieser Vorsprung macht den Bahnern Hoffnung, in den kommen-den Jahren den Anteil der Schiene am Güterverkehr zwischen Deutschland und der Türkei vervielfachen zu können. Das klingt gut, das Niveau ist mit derzeit rund 1 Prozent Anteil aber auch sehr niedrig.
„Da ist sehr viel Potenzial“, drückt es Günther Ferk von der Stinnes-Tochter Railog vornehm aus. Railog hat die Aufgabe, die mögliche neue Schienenverbindung zu vermarkten. „Wenn alles gut geht, können wir vielleicht Ende des Jahres schon einen bis zwei Züge pro Woche fahren lassen“, ist Ferk dann auch optimistisch. Diese Prognose läßt andere Bahner zusammen-zucken - zu groß sind noch die Hürden zwischen den Ländern, was Vorschriften und technische Anforderungen angeht. Das fängt damit an, daß die Siemens-Loks des Versuchszuges mit vier Stromsystemen fahren und rund 15 verschiedene Frontbe-leuchtungen einschalten können - je nach Landesvorschrift. Durch Rumänien durften die Loks gar nicht eingesetzt werden, da zog eine landeseigene Maschine den Zug. Und der Zustand der Gleise in Bulgarien erlaubte maximal 40 Kilometer pro Stunde.
Dennoch: „Wir stehen am Anfang, nicht am Ende der Entwicklung“, macht Ferk sich und seinen Kollegen Mut. Der „Asien-Europa-Expreß“ könne der Startschuß sein für Schienengüterverkehr nicht nur in die Türkei, sondern durchaus auch in die Länder des Nahen und Mittleren Ostens: „Irak und Iran sind mögliche Märkte.“
Bildtitel: Blumen für das Zugpferd: Lokführer Verne Dvoraczek winkt aus einer der beiden Loks, die den „Asien-Europa-Expreß“ von Istanbul nach Mannheim gezogen haben. Bild: Proßwitz