Sehr ausführliches Review zu Locomotion gefunden auf Gbase.ch
QuoteDisplay MoreEs gibt Spiele, die verlieren auch nach zehn Jahren nicht ihren Reiz. Eins davon ist sicherlich Transport Tycoon, welches in der ersten Version bereits vor über einem Jahrzehnt das Licht der Welt erblickte und noch heute Tausende von Fans begeistert. Im Alleingang hat nun Chris Sawyer den Nachfolger programmiert, dabei hat er Altbewährtes übernommen und neue Features eingebaut. Kann das für das Computerzeitalter inzwischen steinalte Prinzip auch heute noch überzeugen?
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Wir schreiben das Jahr 1994: Chris Sawyer, bis dato eigentlich ein noch recht unbekannter Entwickler veröffentlicht Transport Tycoon – die erste richtige Wirtschaftssimulation für den PC. Wenig später folgte, nach dem unerwarteten Erfolg, eine Deluxe-Version mit neuen Landschaftssettings, Fahrzeugen und weiteren Extras, die ebenfalls sehr viel Anklang fand. Doch dann war zunächst Schluss. Im Geheimen wurde über einen möglichen Nachfolger diskutiert, der allerdings nie das Licht der Welt erblickte. Seit 1999 arbeitete nun Chris Sawyer ganz allein an Locomotion, später stiessen noch ein Grafiker und ein Musiker dazu. Zeitweilig musste er seine Arbeit unterbrechen, einige Teile von Locomotion wurden nebenbei für den Roller Coaster Tycoon verwendet, dies wurde zu einem der meistgekauften Spiele überhaupt. Jetzt, fünf Jahre nach Beginn der Arbeiten, steht nun endlich Locomotion im Handel – und es hat sein Flair auch nach Jahren nicht verloren!
Das Prinzip, welches hinter Locomotion steckt, ist denkbar einfach: Angebot und Nachfrage. Der Spieler startet zunächst auf einer fast leeren Landkarte. Nur wenige kleine Dörfer und ein paar Fabriken schmücken, neben der natürlichen Vegetation, das Landschaftsbild. Der Spieler hat nun die Aufgabe per Bus, LKW, Eisenbahn, Schiff oder Flugzeug Waren und Personen von Ort A nach Ort B zu transportieren. Das Spiel beginnt frühestens im Jahr 1900, das Startjahr kann aber nach Belieben verschoben werden, dort stehen dem Spieler allerdings nur sehr wenige Fahrzeuge zur Verfügung. Ein paar kleinere Lkws, ein Bus, eine Tram, eine Dampflok und ein Segelschiff müssen reichen, um die ersten paar Tausend Euro zu verdienen. So lassen sich innerhalb von Städten Tramschienen legen oder aber Bushaltestellen einrichten. Der Warentransport hingegen funktioniert stets nach dem gleichen Prinzip: Per Lkw, Schiff oder Eisenbahn transportiert man ein Produktionsgut, zum Beispiel Eisenerz, Kohle, Öl, Getreide, Vieh oder Holz, zu einer weiterverarbeitenden Fabrik. Diese stellt dann ein weiteres Gut her, zum Beispiel Waren, Lebensmittel oder Stahl, welches man ebenfalls weiter transportieren kann. Für jede erfolgreiche Transaktion von einer Firma zur nächsten bekommt der Spieler automatisch eine gewisse Summe auf sein Konto überwiesen. Diese richtet sich nicht nach einem bestimmten Marktwert, sondern nach der Menge und der zurückgelegten Strecke. Dabei kommt es in Locomotion sehr oft vor, dass ein Gegenspieler plötzlich direkt neben dem eigenen Bahnhof einen eigenen Umladeplatz errichtet und Waren dort hinschickt, die nicht so einen langen Weg transportiert werden müssen. So verliert der eigene Bahnhof natürlich an Bedeutung, da der Gegner zu wesentlich besseren Konditionen liefern kann.
Im Laufe der Jahre gesellen sich immer weitere, natürlich bessere Fahrzeuge dem Fuhrpark hinzu. Diese kosten zwar entsprechend auch mehr Geld, doch dafür sind sie wesentlich zuverlässiger und können Waren schneller transportieren. Wagen, die tagtäglich im Einsatz sind, gehen natürlich öfters mal kaputt. Besonders am Anfang des Spiels im Jahr 1900 müssen Fahrzeuge, die älter als zehn Jahre sind, ausgetauscht werden, da sie ansonsten alle paar Minuten den Geist aufgeben. Natürlich kann es hin und wieder auch zu Katastrophen oder Unfällen kommen, die dann ein Loch in den Geldbeutel des Spielers reissen.
Damit das Spiel nie langweilig wird, gibt es zahlreiche zufallsbedingte Ereignisse, die immer die Aufmerksamkeit des Spielers erfordern. So steigern hin und wieder bestimmte Fabriken die Produktivität, Produktionsstätten werden plötzlich geschlossen oder irgendjemand findet neue Kohlevorkommen, so dass eine neue Mine eröffnet wird. Insgesamt aber hat sich das Wirtschafssystem nicht geändert. Neu hinzugekommen ist allerdings die Tatsache, dass Fabriken, die zum Beispiel Waren herstellen, erst dann produzieren, wenn sie alle benötigten Rohstoffe hierfür bekommen haben.
Steuerung
Wer den Vorgänger kennt, der wird von der neuen Steuerung recht überrascht sein. Die Weltkarte wurde nun ganz nach rechts unten an den Bildschirmrand verbannt und auch sonst haben sich die Symbole im oberen Bereich etwas in der Anordnung geändert – insgesamt aber lassen sich die wichtigsten Befehle direkt und schnell erreichen. Neu ist auch der Streckenbau. Da Locomotion auf der Roller Coaster Tycoon-Engine basiert, wurde auch das Bauen der Strassen und Schienen verändert. Man kann nun keine Strecke mehr mit gedrücktem Mauszeiger einfach durch die Landschaft „ziehen“, sondern man muss Schiene für Schiene mit einem Klick bestätigen. Dadurch gestaltet sich der Bau längerer Abschnitte etwas schwieriger und erfordert etwas Einarbeitungszeit, doch dann erkennt man schnell den Vorteil. Durch das neue System lassen sich Kurven, Abzweigungen und dergleichen wesentlich einfacher und individueller gestalten. Insgesamt also ein deutlicher Pluspunkt gegenüber dem Vorgänger.
Im Schienenbau muss man allerdings nicht nur die Streckenführung beachten, man kann nun auch Bahnhöfe und Strecken in luftiger Höhe errichten, sondern es ist auch wichtig Signale auf den Strecken zu setzen, damit es nicht zu Unfällen kommt. Allerdings offenbart sich hier ein Problem des Spiels. Weder das kurze Tutorial noch das Handbuch verraten, wie man denn nun Signale am besten setzt, damit es nicht zum Super-GAU kommt – hier hätte Chris Sawyer das Spiel doch etwas vereinfachen sollen.
Ausstattung
Locomotion wird in der Verkaufsversion mit zahlreichen Szenarios ausgeliefert, die, wenigstens in den Umrissen an die realen Vorbilder (Nordamerika, England, Irland, Deutschland, die Alpen etc.) erinnern. Dabei ist das Spiel in unterschiedliche Schwierigkeitsgrade eingeteilt, die von „Anfänger“ bis hin zu „Experte“ reichen. Zudem verfügt das Spiel über einen Szenarioeditor, mit welchem man schnell neue Szenarios erschaffen oder aber alte bearbeiten kann. Natürlich kann man sich auch zufallsgenerierte Landschaften erstellen lassen – allerdings sehen diese nicht mehr ganz so hübsch aus, wie die Zufallslandschaften in Transport Tycoon. Einen schnellen Endlosspielmodus gibt es leider nicht. Dafür hat der Entwickler dem Spiel endlich einen Multiplayer-Modus spendiert, so dass man gegen einen zweiten Mitspieler per LAN oder Internet, leider ohne Ing-Game-Lobby, antreten kann. Natürlich lassen sich auch in einem Singleplayer-Spiel wieder zahlreiche Feinde einschalten.
Technik
Neulinge, die Transport Tycoon bisher verschmäht haben, werden zunächst tief schlucken, wenn sie das erste Mal Locomotion starten, schliesslich basiert das Spiel im Kern auf einer Engine, die bereits mehr als fünf Jahre auf dem Buckel hat. Fans des Quasivorgängers werden die aktualisierte, neue Engine aber sofort in ihr Herz schliessen, gleicht die Grafik diesem doch sehr. Neben verschiedenen Zoomstufen kann man in der kleinsten Stufe sogar die Ladung von Lkws und Zügen genau erkennen. Leider gibt es immer noch keine zivilen Fahrzeuge oder Passanten, die die Landschaften und Städte beleben. Zudem hat die neue Engine, die natürlich auch in vier Ansichten drehbar ist, auch ihre Tücken. So kann man zwar nun Strecken in die Höhe errichten, aber wenn mehrere Strecken nebeneinander liegen, besonders in Grossstädten, verliert man schnell die Übersicht. Des Weiteren verdecken oft grössere Gebäude Strassen und Schienen. Dafür ist die Engine sehr genügsam und läuft auch noch auf schwächeren Rechnern. Insgesamt ist die Grafik für Neueinsteiger nicht sonderlich erregend, bietet aber ein eigenes Flair und ist absolut zweckentsprechend.
Pro Landschaftssetting gibt es drei bis vier verschiedene Musikstücke, die sehr stark an Transport Tycoon angelehnt sind. Sicherlich sind sie nicht jedermanns Sache, passen aber recht gut zum Spiel. Des Weiteren gibt es zahlreiche Sounds, die auch schon bei Transport Tycoon zum Tragen kamen.
Fazit
Locomotion ist der würdige Nachfolger zu Transport Tycoon geworden, den sich so viele Fans auf der ganzen Welt gewünscht haben. Zwar hätten wir uns vielleicht dieses Mal eine echte 3D-Engine gewünscht, doch betrachtet man die Konkurrenz, die inzwischen recht zahlreich aus dem Boden geschossen ist, reicht auch eine fünf Jahre alte Engine aus, um zu überzeugen. Zwar ist das neue Wegebausystem zuerst ziemlich kompliziert und es braucht so seine Zeit, bis man es durchschaut hat, doch dann offenbaren sich einem zahlreiche neue Möglichkeiten Strecken anzulegen. Ferner werden viele Spieler bei dem sicherlich sehr günstigen Preis von knapp 30 Franken zuschlagen und wir können euch verraten, dass dieses Geld wirklich gut angelegt ist.